Bernd Ternes

Generative Exzellenz: HP Weber

 

 

 

Generative Exzellenz

Eine der wohl gelungensten Erfindungen neben der Technik, um den dramatischen Einschnitt der Gesellschaftsreproduktion in den Dimen­sionen der Synthesis, der Dynamis und der Praxis durch den indus­triellen Kapitalismus semantisch, mentalistisch, warenästhetisch, poli­tisch und zunehmend reflexiv ‚marktgesellschaftlich’ kleinzuarbeiten und zu entfalten, war und ist die der Kultur.[1] In gelungener Dichte be­schreibt Luhmann das, was dem vorausgeht – nämlich der Verlust (ab­soluter) Kriterien – so: „Überall thematisiert das 18. Jahrhundert das Kriterienproblem: in der Wirtschaft über die Kontingenz der Markter­folge; in der Politik über die Figur des souveränen Staates, der seine ‚in­ternationalen’ Beziehungen selbst ordnet; in der Wissenschaft über die Unbegründbarkeit von Induktionsschlüssen (Hume); in der Liebe inso­fern, als es nur noch auf Gegenliebe ankommt; in der Kunst dadurch, daß man das Prinzip der Imitation aufgibt, Kriterien auf Geschmack bezieht [..]. [...] Die übergreifende Lösung aber, die das Gesellschafts­system jetzt anbietet, liegt in der Erfindung von ‚Kultur’. Man streitet nicht, man vergleicht.“[2] Die Kultur wird jetzt zumindest Fokus (beherr­schend bleiben Nationalismus, Rassismus und Imperialismus) für Vor­stellungen, Inklusion und Exklusion, Einheit und Differenz mehr oder weniger gewaltarm einzufassen. Nochmals Luhmann: „Mehr und mehr Individuen müssen ohne durch Geburt gesicherten Status zurechtkom­men; aber sie können lesen und schreiben und stehen damit für kom­plexere Inklusionsbedingungen zur Verfügung. Die Gesellschaft wech­selt in der Form einer strukturellen und semantischen ‚Katastrophe’ ihr Prinzip der Stabilität aus. Sie ändert [..] ihre Form der Differenzierung, das heißt die Form, in der sie Einheit und Unterschiedlichkeit zusam­menbringt.“[3]

In anderen, traditionelleren Worten: Das bestimmende Prinzip gesell­schaftlicher Synthesis, nämlich die abstrakte Arbeit als Selbstzweckma­schine, und das bestimmende Prinzip gesellschaftlicher Dynamis, näm­lich Geld (als Inkarnation abstrakter Arbeit), evozieren einen ‚Umbau’ gesellschaftlicher Praxis; denn diese ist nur noch in ihren Exklusionsef­fekten hochintegriert (keine Arbeit – kein Geld – keine Wohnung und retour), hingegen in ihren Inklusionseffekten locker integriert – die klas­sische Integrationstheorie Durkheims auf den Kopf gestellt, wie Luhmann fordert. Der damit entstehende ‚Freiraum’ an Individualität, Differenz und Andersartigkeit wir durch Kultur wie durch Technik formal defragmentisiert: kulturell durch die Möglichkeit, in gleicher Weise wie andere anders als die anderen sein zu können, technisch durch die Möglichkeit, am Kommunismus der Sachen (Robert Kurz) beteiligt zu sein, ohne damit Distinktionseinbußen verkoppeln zu müs­sen (Hilfestellung bieten das Design, Preise und die Werbung). Da, wo Kultur und Technik verschmelzen (Kulturindustrie) und an ein Ende der industriellen/ technischen Produktion von Kultur geraten (Limita­tionen narrativer Substanz, künstlerischer Expression und Aufmerk­samkeit), beginnen erste Formen einer Technikkultur, die weniger mit gesellschaftlicher Praxis denn mit gesellschaftlicher Dynamik zu tun haben (Waren-, Film-, Geldkultur/-ästhetik).[4] Technische Existenz meint nun den Zustand, in dem das Sich-zur-Verfügung-Stellen für komplexere Inklusionsbedingungen wie auch für weitere Ausdifferen­zierung abgeschlossen ist und überzugehen beginnt in ein neues Arran­gement von persönlich werdender Abstraktion und abstrakter werden­der Adressabilität als Person – ein Arrangement, das nicht mehr sym­bolisch, vielleicht auch nicht einmal mehr diabolisch gefasst werden kann. Makrosoziologisch hätte dies die Konsequenz, nicht mehr davon auszugehen, daß „the technological choises made by a society are critical expressions of its world view“[5].

Härter formuliert, mit Bezug auf die Artefaktisierung der Welt und den darin lebenden Menschen: Nicht nur „the product of work has become zombies“[6], sondern vielmehr die Produktion selbst, d.i. das soziale Sys­tem der warenförmigen ‚Interaktionen’.

Die technische Existenz, so könnte man verdichten, sprengt sich ab von der Kultur (posthistoire); die Kultur wechselt in ein anderes bzw. ist auf der Suche nach einem anderen ‚Daseinsformat’: Könnte es sein, daß Heidegger mit seinem Begriff des Dings nämliches zu begreifen suchte? Also zu begreifen suchte, was nach der Vergessenheit des Seins, nach dem Zerbröckeln des Subjekts, nach dem Nichtereignen des Ereignis­ses, nach dem verstellten/ verstellenden Gestell noch zu denken ist vom Konnex Ontik, Anthropos, Natur und Kultur? – In den Notizen zu sei­nem Bremer Vortrag „Das Ding“ insinuiert Heidegger, daß die Zeit, in der Dinge als Dinge sein können, noch nicht ins Dasein eingebrochen ist: „Dingen die Dinge? Sind Dinge als Dinge? – oder sind sie nur als Gegenstände? Und die Gegenstände – wie stehen sie? Welches ist die Art ihres Standes und ihrer Ständigkeit? – als Bestand? Die Dinge sind vergangen, weggegangen – wohin? Was an ihre Stelle – gestellt? Die Dinge sind als lange vergangene und gleichwohl sind sie noch nie als Dinge gewesen. Als Dinge – ihr Dingwesen ist noch niemals eigens ans Licht gelangt und verwahrt worden.“[7]

„Die Dinge sind als lange vergangene und gleichwohl sind sie noch nie als Dinge gewesen“ – was sich wieder einmal kryptisch gibt, könnte an­geschlossen werden an eine Konzeption, die die Zukunft des Sozialen und Anthropen durch die forcierende Reaktivierung der genetischen Vergangenheit gehen sieht und damit einem ‚Dingdenken’ jenseits von Mangel und Verlust („Verdinglichung“), aber diesseits einer kulturanth­ropologischen Einbettbarkeit, Gehör zu schaffen versucht – die Kon­zeption einer chaosmischen Anthropologie Hans Peter Webers. Eine Konzeption, die sich, hier jetzt fahrlässig vereinfacht, vom Gedanken leiten läßt, daß die gegenwärtige Zeit der Geschichte beinahe eine des Übersprungs von Variation zur Selektion „ist“: Die sozioanthropo-kommunikative Evolution menschlicher Gesellschaft, selbst eingebettet in weit ausholendere Evolutionen des Lebens und der Physis, trete nun in eine Phase ein, in der die entwickelten, erfundenen und sich ergeben habenden Variationen (Sprache/ Kommunikation, Arbeit, Kultur und Technik) selektiert werden; und dies mit dem Effekt, daß der „Anthro­pokosmos“ auf erhöhter Stufenleiter Anschluß findet an/ restabilisiert wird in generativere Schübe des Evoluierens schlechthin. Und wie es aussieht, werden von den geschichtlich realisierten Variationen wohl nur „Kultur“ und „Technik“ neosynthetisiert als Selektionskandidaten übrigbleiben; die ihrerseits, als „Kultur2“, mit „Natur“ neue Variatio­nen realisieren werden – „Nurture“, „Curture“.

Diese hier grobschlächtig dargestellte Fassung einer neuen Kultur/ Technik- Krasis ginge strikt über die Fassungen hinaus, die sich auf das Ereignis Technik und den Techniker Mensch stützen, Fassungen mit­hin, die in einem mehr als analytischen Sinne eine ontische Differenz aufrechterhalten zwischen Mensch und Maschine[8] bzw. die Zerstörung der Natur sichten da, wo Mensch und Maschine (kybernetisch) aufge­hoben werden. Deswegen können solche theoretischen Arrangements von Leben, Natur, Technik, Humanum und Kunst, die nach Auswegen aus der unendlichen Zerstörung von Welt und Erde durch Technik suchen, trotz des plausiblen Begriffs „technisches Leben“ und der nicht ganz plausiblen Identifikation kybernetischer Technik als diejenige, die dem Maß des Menschen folgte und deswegen den Tod brachte[9], nicht über einen nachtranszendentalen Subjektbegriff hinausgehen. Wenn Schirmacher in einer wahrgewordenen Lebenstechnik die „Garantie des Eigenen im Ganzen, Ereignis des Selbst“ sieht[10], dann ist trotz einer kosmischen Einbettung dieses Technischen unschwer ein quasi-anthro­pisches Prinzip zu vernehmen, eine Art Resurrektion „des“ Menschen, der nun gelassen befähigt ist, Technik als das zu erkennen, was sie ist: eine verborgene Art des Kosmos, unserer Weise zu entsprechen (Schirmacher).

 

 

Hans Peter Weber

Ganz anders gelagert ist dagegen die Fassung Hans Peter Webers, die sich von jeglicher kategorialen Humanform entfernt, welche den Techni­ker Mensch in den Dimensionen der Symbolik, des Geistes und des Seins avisiert. Weber geht es vielmehr um eine Kultivierung generati­ver Programmés, also um einen sozioanthropologischen Rah­men, der die kategoriale und fast schon die performative Phase der Ges­taltwerdung hinter sich hat, um in die programmatische einzumünden. Diese programmatische Phase gesellschaftlicher Existenz wäre ein ers­tes Fusionieren generischer und kultureller Kreativität, das erste Ahnun­gen einer „Existenz“ nach der technischen Existenz zu zeitigen hätte. „In“ dieser wäre exzentrische Paradoxie nicht abhol- und auffind­bar, wäre im Verschwinden begriffen. Denn: Der theoretischen Fassung generativer Exzellenz gemäß wäre exzentrische Paradoxie die gespann­teste, unwahrscheinlichste Gestalt von evolutionärer Variation, die hier mit „technische Existenz“ etikettiert wird. Aus Sicht einer generativen Exzellenz sich Gestalt gebender kreaturaler Prozesse wäre das Variations­ensemble „technische Existenz“ zu einem Paria geworden; ein Variationsensemble, das mit Blick auf den Zug oder die Drift selegie­render Evolution ausgestoßen wurde bzw. im Ausgestoßenwer­den begriffen ist. Das Verhältnis exzentrischer Paradoxie als Form im Medium der technischen Existenz zu eben diesem Medium korrespon­dierte dem Verhältnis technischer Existenz als Variation der Evolution zu dem, was wahrscheinlich evolutionär selegiert wird. Vielleicht kann man für diese Symmetrie der Verhältnisse (‚Ausgeschlossensein’ inner­halb einer Existenz, die als Existenzform ihrerseits ausgeschlossenen wird vom Pool der selegiert werdenden Existenzformen) auch Fraktali­tät unterstellen; die allerdings nur für die Beobachung relevant ist, nicht für das Beobach­tete.

Um diese sehr umständlichen Sätze etwas zu klären, erscheint es mir sinnreich, ausführlicher als gewohnt zu zitieren, auch um zu zeigen, daß Webers Denken in einer eigenen Terminologie passiert, die dem Le­ser mehr Nachdenken als gewohnt abverlangt.[11] Das, was Hans Peter Weber darin zum Ausdruck bringt, ist der Versuch, den Spalt zu be­schreiben, der technische Existenz in ihrer kategorialen Geschichtlich­keit von generativer Exzellenz in einer noch zu begreifenden „Nur­ture“-Fassung trennt[12]; ist der Versuch, im Aufweis des Kollabie­rens, des Ausfransens, des Hypertrophierens wie auch des Invertierens und Implodierens der Ausdifferenzierungsmächtigkeiten zeitgenössi­scher hochkapitalistischer Gesellschaften, sowohl den ‚Untergang’ eines reso­nanzlos werdenden Arrangements aus Sozialem, Psychischem und Lebendigem, als auch erste Momente eines ‚Aufgangs’ zu beschreiben, der Kreaturalität und Kreation an die Spitze des Rearrangements der ge­nannten Dimensionen placiert (‚curture’). Das, was neben dem Zitier­ten das Zitieren zum Ausdruck bringen möchte, ist die Ahnung eines theoretischen Moments der Bifurkation, in dem keine Hinweise auf­findbar sind, ob die Fortsetzung menschlichen Daseins entweder ein­deu­tig in die eine (exzentrisch paradox) oder eindeutig in die andere Richtung (generativ exzellent) geht. – Nun also Weber:

 

„Die alten ‚Lehrer’ als Bildungs-Bildner, die kategorischen, ‚literari­schen’ Sozialsemantiker, die ‚professores’, die Erzieher als semantisie­rende Zivilmanipulateure (mit der Aufklärungsverhei­ßung des Kategorischen oder Sozialistischen Imperativs an Erbau­ungstagen) weichen den ‚Ingenieuren’, zunächst den Ingenieuren eines social und human engineering (als Aufklärungs-Manage-ment!), dann ‑ wie zu erwarten ‑ in wachsendem Umfang den Ingeni­euren ei­nes immate­rial-codalen civil-genetical-engineering. Der epochen­lange „Prozeß der theoretischen Neugierde“ (Hans Blumenberg) be­ginnt entschiedener zu switchen mit dem Prozeß der generischen Neu-Gierde ‑ von durchaus realisationstheoretischer Art mit prakti­schen Folgen. Denn die Zivilisationsmaschine als omnipo­tente und ubiqui­täre ‚Industrie’ hat die radikalen, nuklearen Zeu­gungs- und/ oder Kre­ativpotentiale erreicht, die zur Ausbeutung und Höherraffinie­rung, zur Exzellenz durch Forschung und Entwick­lung, durch Engi­neering und Organisation durchs human enginee­ring der ‚Politiken’ anstehen, i.e. durch wissenschaftliche Pio­nier-Ver­bände, durch poly­valente Staats-und Verbandsgewalten (militär­industrieller Komplex allen voran), durch die Märkte (Indust­rien, Firmen, freie Forschung, durch supranationale Transfor­matoren mit Zivilgewalt (cf. Microsoft, Celera,...)), – mit den sich eröffnenden Riesenchancen an morphing-service für alle Be­gehren im kommen­den Reich des geneti­cal screening, der civil genetics/generics. Die ubi­quitäre lean-in­dustrielle Zivilisation, unter der chiasmischen Trans­zendentalge­walt von Kapital/Kapitel, dringt in die Ausbeu­tung der Ressource „genetische Kreativität“ in der binnenweltlichen Selektion und Pro­zessualität von Systemen, von kreaturalen Gefü­gen aller Art ein, in diese uns forsch-forschungs­diskriminativ zugäng­liche letzte, radikale und sublimste Weise der Generativität (von anthropomorphem Be­lang). Ihr Studienobjekt war/ist deren Au­topoiese selbst, das immate­rial generische proces­sing auf allen er­denklichen verfügbaren Systemebenen, um das diffe­rentiell-kreative Potential auszuheben, es auszubeuten, es um- und höherzurüsten für zivilisatorisch ultima­tive Manipulation, Mani­pulation beileibe nicht nur der Umwelt, son­dern gerade auch ‑ unvorsätzlich mitlau­fend – der zivilisatori­schen Eigenzuchtwahlen; auf einem wirklich radikal gewordenen Register an Verfahrens­kompetenz: Code-konditi­onale chromo-soma­tische Anthropotech­nik, civil generics/ genetics... in den „Spitzenleistungen des Sozia­len“.

Als detektierbare letzte, radikale Ressource im Anthropokosmos ent­puppt sich nicht ‚Stoff’ oder ‚Geist’ (bzw. Sinn und Form, oder Intel­lekt und Materie, gar In-Formation etc.pp), sondern das genera­tive Differential, die autopoietische ‚Maschine’, die code-konsistente Differenz-Kreativität, dieser auto-gene Transformationsgenerator – auf den jeweiligen Bestandsmachtebenen von Gefügen, Systemen, Agencements, Konditionen (Nexus, Interferenz, Emergenz der Inter­penetration, der Attraktoren, der ‚negativen Fülle’, der ‚Panik’ aus dem Drang des Unwahrscheinlichen u.a.m. inbegriffen). Die Streite von gestern, im historischen Hof der neuzeitlichen Zivilisa­ti­onssemantik, die Stellungen ‚Idealismus versus Materialismus’ in allen Variationen (cartesianisch dual, kantisch transzendental, histo­risch-materialistisch etc., die Lehre vom ‚Geist’-Schrecken und ‚Kör­per’-Balsam gar...) – sie sind hoffnungslos verloren; wo es jetzt um die Durchdringung und Eroberung der fitnessemergenten radika­len Generik/Kreativität selbst geht, die im generativen Vermö­gen der Dif­ferentialkomponenten von kreaturalen Systemen an sich liegen (vom low-tech-Bereich der organischen bis hinauf zum high-tech-Be­reich der sinn-organonischen Kreaturen/Systeme. Techné ist das Vermögen des Er-Springen-Könnens einer differentiel­len Relation zum Verfahren, Prozessieren, zum (Sich-) Be-Treiben, Generieren, zur ‚Gestion’/Ge-Stehung ‑ mit allen auf-springenden conditionels eines dann treibenden Gefüges/ Treiber-Kreator-Prozessors, Differen­tial einer Kreatur/Konkretion (con-cres­cere von conditio­nels) auf evolutiv je möglicher Raffini­tätsstufe)“. (S.24f.)

 

Und:

„Geschichte, das Geschehen zivilisatorischer Eigenzuchtwahlen, hört nicht auf, sie kippt nur/eben in eine andere Artung, in eine gene­risch-generative nun: posthistoire. Posthistoire prädikativ gewen­det heißt nun: Performative Geschichte. Performativ sind (ent­gegen einiger Salonvermutungen über „performative Kultur“ des Schau- und/oder Darstellergewerbes) nur endogene Programme. Ge­schichte, die vom Kategorischen ins Performative mutiert, wird eine Geschichte von Forschung und Verwicklung des Selbst in Micro-Gramme. Und ‚posthistoire’ indiziert eben, daß die phäno-kategorische Geschichte des stratischen Aufbruchs seit der ‚Antike’ übergeht in performative, generische, deren Forschheit/ Bereitschaft zur Verwicklung mit genealogisch ältesten ‚Systemprogrammen’ führt. Dem zivilisatorischen enforcement steht Forschung-und-Ver­wicklung bevor.“ (S.28)

 

Sowie abschließend:

Man hat das ggw. sich bahnende Geschick für ein „postmodernes“ gehalten bzw. für eine „redigierte Moderne“ (J.F. Lyotard), was strukturell gezeichnet sei durch die Irritation, mit der „die Simula­tion“ qua Herrschaft „der Medien“ alle Lebenswelten durchtränke. Die These, wir seien im ‚Zeitalter der Medien und Systeme’ gelan­det/gestrandet, wo die Botschaft eines Mediums/Systems ‚nur’ ein anderes Medium/System sei (McLuhan, Luhmann: McLuhman), war/ist doch voreilig. Es ist das Zeitalter der nuclei und der Genera­tivität, und das Zeitalter der denkwürdigen Perichorese von ältesten und jüngsten System-Programmen. Die früh-modernen Kulturisten haben es geahnt, neben Kleist v.a. Novalis: „Die vollendete Specula­tion führt zur Natur zurück“ (Novalis). Und Goethe erwartete fra­gend, ‚ob nicht Natur sich letztlich doch ergründe...’.“ (S.41f.)

 

„Performativ sind [...] nur endogene Programme“ – und genau diese Programme, so Weber, die bisher nur in molekularen, atomaren, che­mischen, genetischen, atmosphärischen usw. Wirklichkeiten unter­ge­bracht sind, bilden nun die bisher für sie als Wirklichkeit nichttaug­liche Sphäre des Sozialen aus und vice versa: das Soziale beginne, sich seiner endogenen Programmatik zu öffnen und im Öffnen ebendiese zu kre­ieren (Autopoiesis). „Geschichte, das Geschehen zivilisatorischer Eigenzuchtwahlen, hört nicht auf, sie kippt nur/eben in eine andere Artung, in eine generisch-generative nun“ – nimmt man diese Aussage ernst und ignoriert dabei die begriffliche Diplomatie, dann kann man meines Erachtens gesellschaftliche Zivilisation (enger Rahmen: 12 000 v.u.Z. bis heute) nur noch so beschreiben, daß ihre Hervorbringungen wie Geist, sprachliche Kommunikation, reflexiver Krieg, Kunst, Tech­nik usw. von vornherein nicht dem Humanum zugekommen sind, son­dern bloß Zulieferungen darstellten für ein Societum, das, weit genug ‚entwickelt’, sich nun erneut in qualitative, also selektive Evolution­pha­sen begibt. Daß für diesen evolutiven Sprung der ‚Geschichte’ wei­terhin Kulturanthropologie und Technik, also eine Technik der Kultur not­wendig sein wird und nicht vielmehr alles an zivilisatorischen Formbil­dungen in eine evolutionierte Vergangenheit evakuiert wird, liegt, so kann man Weber verstehen, daran, daß das „Zeitalter der denkwürdi­gen Perichorese von ältesten und jüngsten System-Program­men“ der Beziehungsform des Wesens und nicht der des Seins zuzu­rechnen ist, so wie sie Hegel beschrieben hat. D.h.: Das „Etwas“ namens Zivilisa­tion in seiner bisher bekannten Form verschwindet nicht, wenn es zu etwas Anderem wird (etwas, was dem Etwas nach Hegel immer im Sein passiert); vielmehr wird dieses „Etwas“ namens Zivilisation kein wahrhaft Anderes, sondern nur Verschiedenheit, Be­ziehung des Einen auf sein Anderes. Und dieses Andere, so Weber, vielleicht auch als Attraktor bezeichenbar, war schon immer im selben selbst: deswegen können sich jetzt auch älteste Systemprogramme (der Emergenz von Leben, von Aminosäuren, von Molekülen, von Gehir­nen usw., kurz: Programme der Kreation) mit den jüngsten Program­men (soziale und technische Systeme) treffen.

Wenn, wie Weber durch Novalis sprechen läßt, die vollendete Specula­tion zur Natur zurückführt, und wenn als „detektierbare letzte, radikale Ressource im Anthropokosmos“ sich nicht ‚Stoff’ oder ‚Geist’ entpuppt (bzw. Sinn und Form), sondern „das generative Differential, die autopoie­tische ‚Maschine’“ – was heißt das, jenseits aller Teleologie und allen Mechanismus’, für die theoretische Anleitung namens exzentri­sche Paradoxie? Ersichtlich wechselt Weber das humanistische wie auch das systemtheoretische Vokabuar, in denen über Mensch und Gesellschaft gesprochen wird, aus. Aber wie? Ein vergleichbarer Fall für solcherart Auswechseln wäre vielleicht bei dem Biologen D’Arcy Wentworth Thomson zu finden, der sich den materiellen Formen der lebenden Dinge nicht mehr nur biologisch näherte, sondern Probleme der Formbildung und der Morphologie von Leben als „in erster Linie mathematische Probleme“ und als „im wesentlichen physikalische Prob­leme“ verstand.[13] Ähnliches passiert bei Weber: Er nähert sich den Differenzformen der sozialen Systeme nicht mehr nur anthropo-soziolo­gisch resp. kulturalistisch, sondern sieht die Probleme der Diffe­renzierung und Formbildung sozialer Systeme als Probleme der ‚Physis-Kreativität’ sowie als Probleme eines organizistisch gestalteten „enforce­ments“; eines enforcements oder eines Kräftezuges, der nun nicht nur als solcher für die Menschenwelt theoretisch in Anschlag ge­bracht wird: vielmehr werden diesem Kräftezug alle Vorhandenheiten und Zuhandenheiten der mundanen Welt polykausal zugeordnet. Das ist sehr schön ablesbar am Beispiel der Vorhandenheit namens „Bewußt­sein“: Unter der Voraus­setzung, daß Denken selbst Kreatur ist, so Weber, gibt es Bewußt­sein als etwas Eigenständiges gar nicht: „Und was in der Hochraf­finerie der Kreaturalsystemik Denken als Excel­lence-Effekt die Stelle einnimmt, die herkömmlicherweise immer als ‚Be­wußtsein’ ver-dacht (verdächtigt) wurde, muß Realwissenschaft des kreaturalen Prozes­sor-/reaktor-Gefüges ‚Denk-physis’ (gebildet wie: Atemphysis, Bewegungsphysis etc.) erweisen.“[14] Ebenfalls schön ables­bar ist es – es: das Bestimmen neuer Conditionels für bis dato nur dem ‚menschlichen’ Kosmos zugeschriebenen Vor- und Zuhandenheiten – am Beispiel des Stellenwertes der im folgenden Zitat unsichtbar bleiben­den Referenz namens „symbolische Ordnung“, die bei Weber massiv an Generativität verliert: „KreaturDenken [..] hat es stets mit physis zu tun, mit physis in ihren diversen (meta-) morphisierten Raffinitäts­zustän­den – mit den Mysterien der inertialen, instantanen, endogenen Kreativität, Ergenizi­tät (ergon) auf allen Preziositätslagen von physis (=das von sich her Auf­gehende); [...] und daß, was immer geschieht, es als physis geschieht. Nichts tritt aus ihrer Ergenizität [im Original: Ergeneti­zität; B.T.], nichts tritt aus der Generativität heraus, auch die preziöseste Proposition im entlegensten Gehirn des Alls ist/bleibt phy­sis, wenn auch – kreatürlicherweise (!) – längst nicht mehr nur ‚physi­ka­lisch’ (als einer nieder-aggregierten Stufe von physis).[15]

Um keine Mißverständnisse zu produzieren: Webers physis-Begriff be­deutet nicht, einer pragmatischen Anthropologie abzuschwören und sich nun voll auf die physiologische zu konzentrieren: Kants Unter­schei­dung der Anthropologie fußte auf der Annahme, herausbekom­men zu können, was die „Natur“ aus dem Menschen und was der „Mensch“ aus sich gemacht hat. In Webers Fassung einer Kultur-anthro­pologie spielt die Unterscheidung physiolo­gisch/ pragma­tisch keine Rolle mehr als wesentliche Unterscheidung, weil dieser „Mensch“ bei Weber nicht einmal mehr als „over-man“, also als „Über­mensch“ begriffen wird, sondern als kreaturales Modul innerhalb be­stimmter ‚agencements’ der Verwandlung; das Über-den-Menschen-Hinaus-kommen oder gar die Bewahrung der Leerstelle ‚Mensch’ hat in der Weber’schen Kulturanthropologie keinen Platz mehr. Was dem Gemüte (Kant)[16], was dem ewigen Streben, zur Welt zu kommen (Sloterdijk), was dem Imaginären (Castoriadis) zugeschrieben wurde, das hat bei Weber die kreaturale und kreative physis selbst übernom­men – übernommen im Sinne von: die Instanz „sein“, die Lebendigkeit gibt und verteilt; ans Leben, ans Soziale, ans Psychische. Und so gilt für Webers chaosmische Anthropologie vielleicht das, was Foucault am Ende seienr Einführung in Kants Anthropologie als leichte Hoffnung formulierte: „Ist es nicht möglich, eine Kritik der Endlichkeit zu konzipie­ren, die befreiend ebenso in Beziehung auf den Menschen wie in Beziehung auf das Unendliche wäre und die zeigte, daß die Endlich­keit nicht Frist (terme), sondern diese Kurve und dieser Knoten (noeud) der Zeit ist, wo das Ende (fin) Anfang ist?“[17]

Wäre nun, bis es soweit ist, exzentrische Paradoxie der interime Kandi­dat für eben die verwaiste Stelle, an der das Bewußtsein sich bis dato be­hauptete? Also exzentrische Paradoxie die letzte Gestalt einer techni­schen Existenz vor der Verwandlung in generative Exzellenz? Und Ex­zentrik als solche die letzte Formfassung von Gegebenheiten vor dem Erlöschen von Form überhaupt (‚Chaosmos’)? Braucht es erst eine radi­kale Wucherung des Bewußtseins und des Sozialen hin zu einer Fas­sung Stirner’schen Ausmaßes, die nur das „Einzige und Eigentum“ wirk­lich sein läßt[18], um generative Exzellenz evolutiv zu provozieren? Ist es notwendig, daß sich gesellschaftliches Leben exzentrisch paradox vereinsamt, damit es generativ exzellent vereinnahmt werden kann?[19] Folgt man den Ausführungen Webers, müßte man diese Fragen, die zu­mindest phänotypisch dialektischer Art sind, verneinen. Denn:

 

„Kulturisten müssen ‑ zwecks Verhinderung von Zusammenbrüchen bei den dynamischen Übergängen ‑ kurioserweise gerade auf den Er­halt der orthogrotesken Richtkräfte, eines dubiosen und vagen nomos mithin, pochen, und dabei auf die langsame ‚Ausheilung’ der ggw. zivilisatorischen Kruditäten setzen ‑ zu Gunsten passabler kleinster Verschiebungen in den großen brüchigen Übergängen zu nurture und einer intrinsisch gegen-mit-laufenden Rekultivierung. Eine neue Form des 'Minimalismus' (und der Geduld).“ (S.52)

 

Webers Rückgriff auf die medizinische Vokabel der Ausheilung zeigt an, daß sich in den gegenwärtigen zivilisatorischen Kruditäten keine ex­zentrische Paradoxie im bisher konturierten Sinne eingestellt hat. Denn diese Paradoxie wird ja selbst als eine dreifache Verrückung gedacht, um anzuzeigen, daß eine wie auch immer minimale Anschlußfähigkeit kleinster Verschiebungen innerhalb großer brüchiger Übergange nicht mehr möglich ist.

Und auch der Ausblick Webers auf eine Verwandlungsform „nurture“ und auf eine Zelebrationsgestalt „curture“ wäre nicht mehr möglich, star­tete man gegenwartsdiagnostisch mit exzentrischer Paradoxie. Denn:

 

„Posthistoire ist jene epochale Verwindung (‚Kehre’), wo kategori­sche semantische Zivilisation in performative, programmierende über­geht (nurture) – der letzte und kippende Schritt der schismoge­nen Gesellschaften in einer langen Transformationskette, an deren ge­gen­wärtigem Prozeßmuster ablesbar ist, daß die Ent-Wicklung in­zes­siv wird, sich in den Inzeß mit den radikal diskriminierten differen­tiell-generativen eigenen Abkunftspotentialen bewegt. Der Fortschritt wird inzessiv, verfängt und manipuliert sich selbst in den Quellspuren, den genetisch-generativen Mikro-Grammen der Her-Kunft. Der Inertialraum von planetarisch-anthroper Ent-Wicklung, diesem selbstexzitativen „Abenteuer“ (Whitehead), dieser Er-Oberung, dieser eigen-diskriminatorische evolutive Bewegungsraum ist gekrümmt; seine Eröffnungen führen komplett verdreht (verwun­den, barocca, quer) durch seine Abgründe in seine Gründe zurück: nature - culture - civilisation - nurture - (und, hope so: curture, die Re­kultivierung).“ (S.29f.)

 

Dieser Prospekt einer Gesellschaftsevolution, der den Inzeß, die Krüm­mung, das Einfangen und Verdrehen benutzt, um die Linie Natur, Kul­tur, Zivilisation, Nurture und schließlich Curture als eine solche kennt­lich zu machen, hat mit dem Prospekt einer Gesellschaft, die exzent­risch paradox geworden ist, augenscheinlich nichts zu tun (und auch nicht, nebenbei gesagt, mit Vorstellungen von Extropianern)[20]. Wäh­rend für den letzteren Prospekt die „Enden“ der Differenz, der Funk­tion, des Sinns und des Sozialen lose und zudem verätzt ins leere Ge­schichtsall hineinragen, schleifen sich die „Enden“ im ersteren in que­rer, gekrümmter Weise zusammen, bilden einen tonos, sammeln fragmen­tisierte Geschehnisse und Daseinsbereiche ein in einer an Kreati­onsmächtigkeit gewachsenen physis. Man könnte den Unter­schied auch so ins Bild bringen: Nurture ist der sich wieder zusam­men­ziehende Kosmos, exzentrische Paradoxie der in Zeitlupen­tempo aus­ei­nanderschleudernde Kosmos. – Generative Exzellenz und exzentri­sche Paradoxie kommen also nicht zusammen, passen nicht in- und auf­einan­der, schließen sich nicht an. Man könnte auch sagen, daß exzent­rische Paradoxie die technische Existenz nach der Produktivität des Schmerzes ist[21], wobei der Schmerz anhält (der Schmerz der, nicht durch Abstraktion), während die kreaturale physis der generativen Ex­zellenz den Schmerz in seiner produktiven wie destruktiven Gewalt abge­sprengt hätte. Und mehr noch: Während ersterer Schmerz zuneh­mend überlagert wird durch den Schmerz, der sich einstellt, weil Schmerz noch auf den ‚durch Abstraktion Leidenden’ bezogen bleibt, ge­biert zweiterer Schmerz einen ihn überlagernden genau deswegen, weil Schmerz noch nicht auf die ‚leidende Abstraktion’ bezogen wird. Wenn Balzac schreibt: „Der große, wahre Schmerz also müßte so mor­dend sein, daß er zugleich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ver­nichten, keine Äußerung des Lebens unberührt, das Denken für immer zunichte machen, sich unauslöschlich auf Stirn und Lippen schreiben, alle Quellen der Freude vernichten oder versiegen lassen und so der Seele Ekel vor allem einflößen würde“[22] – so gälte dies fürs exzentrisch Paradoxe abzüglich der Seele und fürs generativ Exzellente abzüglich des Ekels.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Um Mißverständnisse zu vermeiden: Natürlich ‚gab’ es vorher schon Kultur. Hier ist mit Kultur ausschließlich die Semantik und Praxis gemeint, die sich entlang der zunehmenden Bezeichnungen (also Verhältnissen) von Welt vergleichend, verdoppelnd und historisierend in die Gesellschaft einspeist. Siehe Niklas Luhmann: Kultur als historischer Begriff, in: derselbe: Gesellschaftsstruktur und Semantik, Bd.4: Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, FFM 1995, S.31-54.

[2] Niklas Luhmann: Die Religion der Gesellschaft, FFM 2001, S.270f.

[3] dito, S.287.

[4] Etwas postmoderner und dramatischer formuliert könnte man auch dies sagen: „Es gibt nach der elektronischen Revolution keine Menschen mehr, sondern nur die sich ständig wiederholende Zeremonie des Verschwindens des Menschen, den sich das [audiovisuelle; B.T.] Medium einverleibt. Die totale Extermination der humanoiden Rasse durch die Anthropophagie der audiovisuellen Medien [...]“; so Qrt (i.e. Markus Konradin Leiner), Tekknologic, Tekknowledge, Tekgnosis. Ein Theoriemix, hg. v. Tom Lamberty & Frank Wulf, Berlin 1999, S.133.

[5] Eric L.Trist: The Evolution of Socio-Technical Systems. A Conceptual Framework and an Action Research Programm, Toronto 1981, S.13.

[6] So Burkard Sievers: Zombies or People - What is the Product of Work? Some Considerations About the Relation Between Human and Nonhuman Systems in Regard to the Socio-Technical Systems Paradigm, in: Barry A. Turner (Hg.), Organizational Symbolism, Berlin1990, S.83-93, hier: S.87. Auf Seite 91 dann allerdings die Entwarnung: „We have, doubtless, to be aware that zombies and people are not alike.“ – Für einen anderen Begriffskandidaten, eher glossierend und eher demokratietheoretisch eingebettet, optiert Christoph Spehr (Die Aliens sind unter uns! Herrschaft und Befreiung im demokratischen Zeitalter, München 1999).

[7] Martin Heidegger: Bremer und Freiburger Vorträge, GA, Bd.79, hg. von Petra Jaeger, FFM 1994; Vortrag: Das Ding, S.5-23, hier: S.22f.

[8] Exemplarisch Wolfgang Schirmacher: Ereignis Technik, Wien 1990, S.228-245; S.228: „Die Dialektik des Technikwissens beginnt mit der Maschine. Als deren Negation erscheint der Mensch.“ [...] „Daher muß die Kunstmaschine Technik eine Lebensweise sein. Als Künstlichkeit zeigt sich die Natur des Menschen.“

[9] ebenso, S.228. Kybernetik fußt m.E. gerade nicht mehr auf einer wie auch immer verstandenen Auslegung des homo mensura – Satzes.

[10] ebenso, S.230.

[11] Siehe zu den Schwierigkeiten und auch zu den möglichen neuen Horizonten Weber’schen Schriftdenkens: Verf.: Marginalien vor dem Denken. Zu Hans Peter Webers Werk „MediaanaRiten“, in: derselbe, Soziologische Marginalien 3, Marburg 2000, S.47-57.

[12] Zitate aus: Hans Peter Weber: Wie spät ist es?, in: menschen formen (Hg.): menschen formen, a.a.O. Seitenangaben im Text.

[13] Derselbe: Über Wachstum und Form, gekürzte Fassung neu hg. von John Tyler Bonner, dt., FFM 1983 (1917), S.28. Diplomatisch relativierend jedoch im Nachwort (S.389): „Meine Aufgabe ist erfüllt, wenn es mir gelungen ist, zu zeigen, dass es eine bestimmte mathematische Seite der Morphologie gibt, die der Morphologe noch wenig beachtet“.

[14] Hans Peter Weber: Kreatur im/als Kopf | Als Kreatur denken | Die Kreatur denken, unveröffentlichtes Manuskript, Berlin 2000, S.1.

[15] dito, S.3.

[16] „Wie jedes lebendige Wesen (être vivant) verzettelt sich seine Dauer nicht in einer indifferenten Zerstreuung; es hat einen orientierten Verlauf; [...]“ – so umschreibt Michel Foucault die Kant’sche Fassung des Gemüts, die über die scheinbar abschließende Formulierung in der Einleitung zur „Kritik der Urteilskraft“ hinausgeht. Siehe Michel Foucault: Einführung in die Anthropologie von Kant (1961), unveröffentlichte Übersetzung von Ute Frietsch, Manuskript, Berlin 2000, S.37.

[17] Michel Foucault: Einführung in die Anthropologie von Kant (1961), a.a.O., S.95.

[18] Max Stirner: Der Einzige und sein Eigentum (1892), Stuttgart 1991: „Fort denn mit jeder Sache, die nicht ganz und gar Meine Sache ist!“ (S.5).

[19] In Carl Schmitts ‚Weißheit der Zelle’ von 1947 (in: derselbe, Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47, Köln 1950, S.79-91, hier: S.86) liest man folgendes: „Bin ich auf Erden, um daran zu arbeiten, daß die Technik uns in Strahlung verwandelt? Wenn ja, unter wessen Kommando muß ich mich begeben, um meine Arbeit zu übernehmen? Denn ich bin ja längst nicht mehr für mich allein und einsam, ich bin ja längst organisatorisch vereinnahmt.“

[20] Max More geht es augenscheinlich um eine Selbststeigerung der Menschengattung nach allen Richtungen, wie es Thomas Assheuer treffend formulierte: Hans Peter Weber geht es eher um einen „Einstieg“ der Menschengattung in sie übersteigende Drifte.

[21] Man denke nur an den Schmerz, der entsteht, bis konstruierte Double binds produktiv bzw. kreativ werden (Gregory Batesons Delphinbeispiel).

[22] Honoré de Balzac: Die Frau von dreißig Jahren (1830-35), dt., Hamburg 1960, S.63.